»Halte ein!« unterbrach ihn der Weise. »Hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt?«
»Drei Siebe?«, fragte der andere voller Verwunderung.
»Ja, guter Freund! Lass sehen, ob das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht: Das erste ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?«
»Nein, ich hörte es erzählen und …«
»So, so! Aber sicher hast du es im zweiten Sieb geprüft. Es ist das Sieb der Güte. Ist das, was du mir erzählen willst, gut?«
Zögernd sagte der andere: »Nein, im Gegenteil … «
»Hm«, unterbrach ihn der Weise, »so lass uns auch das dritte Sieb noch anwenden. Ist es notwendig, dass du mir das erzählst?«
»Notwendig nun gerade nicht …«
»Also, sagte lächelnd der Weise, »wenn es weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit.«
Diesen Text finden Sie hier leider nicht ohne Grund: Im Dorf - und mittlerweile wahrscheinlich auch darüber hinaus - wird das Gerücht gestreut, dass eine hier im Ort noch nicht allzu lange ansässige Firma in finanzieller Not, bzw. sich kurz vor der Insolvenz befinden soll. Resultat: Es treten mittlerweile potenzielle Investoren auf und belagern Firmenchef und Angestellte, um sich schon einmal für eine Übernahme in Position zu bringen.
Der Firmeninhaber behält sich rechtliche Schritte wegen übler Nachrede vor, denn es geht hier nicht nur um das ungefilterte Verbreiten ungeprüfter Halbwahrheiten, sondern das Streuen dieses Gerüchtes ist für ihn auch in hohem Maße geschäftsschädigend. Wer möchte schon Geschäfte mit jemandem in Erwägung ziehen, dessen Firma vielleicht die nächsten Wochen nicht übersteht?
Es ist völlig unerheblich, wer diese „Information“ in Umlauf gebracht hat. An deren Verbreitung haben sich offenbar Einige mehr als bereitwillig beteiligt, wahrscheinlich sogar ohne böse Absicht. Das Resultat ist trotzdem mehr als unschön.
Um solch einer Situation zukünftig aus dem Wege zu gehen, wäre die Anwendung der oben genannten drei Siebe vor der Verbreitung vor Klatsch und Tratsch mehr als hilfreich. Zum Prüfen der Wahrheit hilft es übrigens meist, ein direktes und persönliches Gespräch mit dem mutmaßlich Betroffenen zu führen.
Und zu einer gut funktionierenden Dorfgemeinschaft gehört es ebenfalls, miteinander, statt übereinander zu sprechen.
Lassen Sie es uns in Zukunft besser machen!
Herzliche Grüße,
Heidi Perpeet
(Ortsbürgermeisterin)