Aber auch derer, die wegen ihrer Überzeugung, Religion oder Rasse gefoltert oder ermordet wurden.
In diesem Jahr war der Gedenktag vor dem Hintergrund des vor unserer Haustüre in der Ukraine stattfindenden Krieges mit über 100.000 Toten und Millionen Vertriebenen aktueller denn je.
Umso bedauerlicher, dass leider wieder nur so wenige Mitbürgerinnen, Mitbürger, Vertreter von Vereinen und Gremien den Weg zu unserer Feier auf dem Friedhof gefunden hatten, um damit auch ihre Solidarität mit den Opfern zum Ausdruck zu bringen.
Die Feier mit der Kranzniederlegung wurde umrahmt von einer feierlichen Gesangsdarbietung einiger Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich aus Anlass dieses Gedenktages zusammengefunden hatten.
Nachstehend zum Nachlesen, die Ansprache anlässlich des Volkstrauertages:
„Nie wieder Krieg!
Unter dem Eindruck der schrecklichen Erfahrungen zweier Weltkriege war dies über Generationen hinweg das fundamentale Ziel europäischer Einigungsbemühungen. Spätestens Anfang 2022 haben wir erlebt, wie diese Hoffnung auf eine europäische Friedensordnung zerbrochen ist. Für mich war es kaum vorstellbar, dass Russland tatsächlich die Ukraine angreifen könnte. Seit Februar herrscht wieder Krieg in Europa. Russland hat mit dem Angriff auf die Ukraine das Völkerrecht und alle Regeln der Nachkriegsordnung in Europa gebrochen.
Im Jahr 2022 müssen wir Bilder aus der Ukraine sehen, von denen wir gehofft hatten, dass sie sich niemals wiederholen: Menschen, die vor Bomben in U-Bahnschächte fliehen, die sich an der Grenze von ihren Familien trennen oder gar für immer Abschied nehmen müssen an langen, frisch ausgehobenen Grabreihen. Wir sehen, was die Menschen erleiden müssen nach dem skrupellosen Überfall Russlands, für den Präsident Putin und die russische Regierung die politische Verantwortung übernehmen müssen. Wir sehen, wozu Menschen in diesem Ausnahmezustand fähig sind – im Guten wie im Schlechten: Flüchtlingskonvois unter gezieltem Beschuss, geplünderte und zerstörte Städte und grausame Massaker an Zivilisten, aber auch erbitterter Widerstand von ukrainischen Soldaten, mutiger Protest von Zivilisten gegen Panzer und eine immense internationale Hilfsbereitschaft. All diese Schrecken des Krieges finden im Herzen Europas statt. Von Berlin bis zur ukrainischen Grenze ist es genauso weit wie von Berlin nach Brüssel. Die Bilder erinnern stark an zerstörte Städte in Europa im Jahr 1945. Mit diesem brutal angegriffenen Land und seinen Menschen trennt und verbindet uns vieles:
Es ist nicht das erste Mal, dass die Ukraine überfallen wurde. Im Zweiten Weltkrieg war das Land einer der Hauptkriegsschauplätze. Zu den umkämpften Städten gehörte schon damals Charkiw. Anfang 1943 fand hier eine der schrecklichsten Panzerschlachten des Zweiten Weltkriegs statt. Damals richtete sich der Widerstand der Ukrainer vor allem gegen das nationalsozialistische Deutschland. In vielen ukrainischen Familien sind bis heute schmerzhafte Erinnerungen an diese Ereignisse lebendig. Die Überlebenden von damals erleben heute, wie das vergangene Grauen wiederkehrt. Die Hoffnung auf eine humane Gesellschaft wird durch den Krieg zutiefst erschüttert. Vermeintlich unumstößliche Sicherheiten zerbrechen. Millionen Menschen müssen fliehen. Es sind vor allem Frauen und Kinder, die ihre Heimat verlassen, während die Väter und Söhne zu den Waffen greifen und in den Krieg ziehen, um ihre Heimat zu verteidigen. Ihr verzweifelter Mut verdient Respekt; ihr Schicksal bedarf unserer Solidarität. Aber auch auf russischer Seite werden junge Männer in einen Krieg geschickt, den sie nicht haben kommen sehen und auch nicht wollen. Auf beiden Seiten sterben Menschen und fallen dem Wahn eines despotischen Herrschers und seiner Vasallen zum Opfer. Hinter jedem Einzelschicksal steht ein Name; jedes Leben steht für einen Menschen mit einer unverlierbaren und unantastbaren Würde.
Ich danke dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge für das große Engagement in der Erinnerung an die Schicksale der Opfer zweier Weltkriege. Damals wie heute dürfen wir die Menschen, die unter Krieg und Gewalt leiden, nicht vergessen. eine gewaltvolle Vergangenheit, aber auch die Fundamente einer gemeinsamen Kultur und der Wille zur demokratischen Selbstbestimmung für eine friedliche Zukunft. Am Volkstrauertag gedenken wir aller Toten von Krieg und Gewaltherrschaft in Deutschland und weltweit. Doch in diesem Jahr denken wir im Besonderen an die Kriegstoten und ihre Angehörigen in der Ukraine: der vielen in den vergangenen Monaten gefallenen Soldaten und getöteten Zivilisten. Unser Mitleid gilt aber auch den getöteten russischen Soldaten, die diesem verbrecherischen Krieg nicht ausweichen konnten und oft sogar mit einer falschen Wahrheit in die Pflicht genommen wurden.
Allein in der Ukraine ruhen an die 170.000 deutsche Kriegstote auf den Kriegsgräberstätten des Volksbundes; mindestens noch einmal so viele werden noch vermisst – und bei den sowjetischen Kriegstoten gehen diese Zahlen in die Millionen. Selbst jetzt, mitten in diesem Krieg, werden bei dem Ausheben von Schützengräben an vielen Stellen die Gebeine gefallener Soldaten des 2. Weltkriegs zu Tage gefördert.
Dieser Gedenktag gibt uns Anlass nachzudenken und besonnen, aber entschieden tätig zu werden. Aggression dürfen wir nicht hinnehmen und müssen daran erinnern, dass wir gemeinsam in Europa für Menschenrechte, Frieden und Freiheit eintreten.
Quelle: Auszüge aus dem Geleitwort von Wolfgang Schneiderhahn, Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V sowie des gemeinsamen Grußwortes von Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Präses Dr. h.c. Annette Kurschus, Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland“
Georg Holl, Ortsbürgermeister